Vorarlberg ist bekannt für seine umwerfend schönen Bergwelten, die neben einzigartigen Skigebieten auch wahre Wanderparadiese bieten. Wer sich aufmacht, diese Welten zu erforschen, dem kann es passieren, dass er auf einen Berggrat stößt, der sich von einer Seite in sattem Grün präsentiert, während die andere sich unter einer strahlend weißen Schneeschicht verbirgt. Dieser Kontrast, diese Gleichzeitigkeit von Jahreszeiten, die sich zu einem eindrucksvollen Naturschauspiel vereinen, ist nicht nur sinnbildlich für das westlichste Bundesland Österreichs, sondern auch für dessen Wirtschafts-
standort, dessen Unternehmer und Bewohner, sowie deren Werte, deren Identität und Zukunft.
Vorarlberg hat das erfolgreiche Zusammenführen von oberflächlichen Gegensätzen perfektioniert. Verwurzelung und Weltoffenheit sind genauso miteinander verbunden wie Schnelligkeit mit Sorgfalt; und Innovation hat hier Tradition.
Innovation wie damals
Die Fähigkeit zur Koexistenz von Gegensätzlichkeiten ermöglicht es Vorarlberg, sich seit Jahrhunderten immer wieder zu wandeln. Das Land nutzt vorhandenes Potenzial und Know-how, um sich stetig weiterzuentwickeln, bis der gesamte Wirtschaftsstandort neu definiert wird.
Das zeigte sich bereits in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts, als sich das rein agrarische Gebiet rapide zum „Textil-Ländle“ wandelte. Das bei der Erzeugung von Leinengarn aus Flachs gewonnene Wissen wurde als Grundlage für die Industrialisierung des Landes genutzt. Das Ergebnis war ein auf Spinnerei, Weberei und Stickerei spezialisiertes Textilindustrieland, dessen namhafte Vertreter wie
F. M. Hämmerle, Huber, Getzner, Wolford und deren qualitativ hochwertige Produkte weit jenseits der Landesgrenzen Wertschätzung und Bewunderung fanden und nach wie vor finden.
Im 20. Jahrhundert fand die nächste Wirtschaftsmetamorphose statt. Mit einer erfolgreichen Metall-, Elektro-, Lebensmittel- und Chemieindustrie stellte Vorarlberg sich breiter und zukunftssicherer auf. Hervor kamen Unternehmen wie ALPLA, Blum, Doppelmayr, Ölz, Omicron, Rauch und Zumtobel.
Die Creative Industry
Begünstigt durch diesen Wandel entstand beinahe zeitgleich auch eine starke Kreativszene. Die gute Wirtschaftslage und der facettenreiche kulturelle Hintergrund waren der ideale Nährboden für eine bemerkenswerte Kreativwirtschaft, die nicht nur mit der weltweit höchsten Agenturdichte beeindrucken kann, sondern auch einige bekannte Namen hervorgebracht hat.
Einer dieser Namen ist Othmar Motter. Der Vorarlberger Schriftgestalter hat mit seiner „Motter Tektura“ die Erscheinungsbilder von Apple und Reebok für Jahrzehnte geprägt. Ebenso der in Bregenz geborene Stefan Sagmeister, der bereits für Künstler wie Lou Reed, die Rolling Stones und Aerosmith tätig war und 2016 mit seinem Projekt „The Happy Film“ international für Aufsehen sorgte.
Und zahlreiche Vorarlberger Architekturbüros wie Marte.Marte, Dietrich Untertrifaller und Cukrowicz Nachbaur, die derzeit zahlreiche internationale Ausschreibungen gewinnen, ebenso viele Stadtbilder prägen und mit Preisen regelrecht überschüttet werden.
Innovationsstandort
All diese kreativen Strategen, diese organisierten Querdenker, haben mit ihrer klassisch vorarlbergischen Fähigkeit zur Dualität, das Ländle zu einem Hotspot der Creative Industries werden lassen.
Dennoch deuten die Zeichen der Zeit bereits die nächsten Wandlungsprozesse an. Weltweite Paradigmenwechsel wie Globalisierung, Digitalisierung, der Klima- sowie der gesellschaftliche Wandel sorgen dafür, dass Vorarlberg erneut beweisen muss, dass es Tradition nicht als Verehrung der Asche, sondern als Weitergabe des Feuers sieht.
Für die Unternehmen bedeutet das, dass sie Kreativität mit Strategie koppeln müssen. Sie müssen agile Prozesse schaffen und vernetzt agieren. Innovationsprozesse wie Hybrid- oder Design-Thinking führen dazu, dass immer weniger für den Kunden und stattdessen immer mehr mit den Kunden gearbeitet wird. Anbieter und Kunde sind keine starren Rollen mehr – sie verschmelzen, werden zu Partnerschaften und finden gleichzeitig statt. Sie werden zum Sinnbild für Dualität. Sie werden typisch für Vorarlberg.