Wo Ideen herkommen?
Ein Essay von Marc-Philipp Kittel.

Der Mythos, dass ein Geistesblitz bevorzugt auf dem Klo einschlägt, hält sich hartnäckig. Allerdings stammt er aus einer Zeit, in der es noch keine Smartphones gab.

Denn wer damals nicht unbedingt ein Faible für Badreinigungsverpackungsrückseitenliteratur hatte, saß minuten- bis stundenlang auf der Keramik und langweilte sich. Langeweile, das muss man wissen, ist toll. Nichts fördert Kreativität mehr als gedanklicher Müßiggang. Und heute? Zückt man in jeder freien Sekunde das Mobiltelefon, checkt seine Likes, daddelt Diamond Dash oder liest, guckt, hört irgendwas. Denn irgendwas ist ja immer. Als Experte für Prokrastination weiß ich, wovon ich spreche. Kurz gesagt: Sich geistige Freiräume zu schaffen, ist schon mal die eine Voraussetzung für gute Ideen. Die andere ist Inspiration.

Von der Muse geküsst zu werden klingt reizvoll. Aber wie Inspiration funktioniert, lässt sich viel einfacher erklären: Aus dem Kopf kann nur kommen, was vorher irgendwie reinkam. Da hilft es, wenn man sehr, sehr viel Zeit vorm Fernseher verbracht hat. Und mit Büchern und Comics. Oder in Museen, auf Reisen, mit Menschen. Alles, was den Kopf füllt, ist herzlich willkommen. Sitzt man dann am Schreibtisch, das Hirn randvoll, ist man nicht automatisch kreativ. Aber statt nur Hammer und Zange hat man eben einen ganzen Werkzeugkasten zur Verfügung – und schafft damit vielleicht einen Gedanken, den vorher noch niemand hatte.

Dann sitzt man da mit seinem Talent vor dem leeren Blatt. Blatt, wohlgemerkt – nicht Bildschirm! Denn nichts schlägt in der Ideenfindung Stift und Papier. Einfach draufloskritzeln, Dinge notieren, sich treiben lassen – kurz: alles rauszulassen – klappt so am besten.

Wer hingegen sofort den Rechner bemüht, fängt immer mit den gleichen Routinen an und kann sich schwer von ihnen lösen. Auf das Unerwartete und Inspirierende stößt man weit seltener.

Diese geistige und technische Uneingeschränktheit hilft nicht nur beim Brainstorming – oder wie ich es lieber nenne: Rumspinnen – mit Kollegen, sie ist die Grundvoraussetzung für die Entwicklung von wirklich Neuem. Angeblich klappt das auch in Gruppen, passiert allerdings im Agenturalltag eher selten. Meist eher ungeplant, wenn sich ein viel zu üppig besetztes Meeting schleichend in ein Massenbrainstorming verwandelt – aber das wäre einen weiteren Beitrag wert.

Ideal ist das Gedanken-Pingpong mit einem vertrauten Kreativpartner: Funken beide auf derselben Wellenlänge, fördert das eine lockere, konstruktive Arbeitsatmosphäre.

Ideal ist das Gedanken-Pingpong mit einem vertrauten Kreativpartner: Funken beide auf derselben Wellenlänge, fördert das eine lockere, konstruktive Arbeitsatmosphäre.

Und die ist immer gut fürs Ergebnis. Doch auch mit einem Fremden kreativ zu werden, kann Vorteile haben: Teile des Gehirns, die bislang brach lagen, können dabei förmlich aufblühen.

Für alle, die überlegen, selbst kreativ zu werden, noch einen letzten Tipp: Bewahrt euren Spieltrieb! Probiert aus, experimentiert, bastelt, baut, zerlegt und fügt alles wieder neu zusammen – ohne die Angst, Fehler zu machen. Wie damals, als Kind.

Oder anders gesagt: Don’t grow up, it’s a trap.

Autoren.

  • Marc-Philipp Kittel. Texter.

    Marc-Philipp Kittel ist Vater, Biker, Spieler, Zeichner, Scrabbler, Genießer und vor allem Texter – egal ob klassisch oder digital. Im besten Fall ist das ein und dasselbe, denn er ist in beiden Welten zuhause und bringt von beiden Seiten das Beste mit: Einerseits Markenverständnis und die Fähigkeit, Geschichten zu erzählen, zu unterhalten und zu verkaufen. Und andererseits die permanente Neugier auf alles, was durch innovative Technologien möglich ist – oder erst noch möglich wird. Zudem ist er begeisterter Waldbewohner: Mit Frau und Töchterchen lebt er vor den Toren Hamburgs, in den Schwarzen Bergen. www.mpkittel.de